Motorboot Erfahrung mit der Julius aus über 1.300 Seemeilen

Motorboot Erfahrung mit der MV JULIUS, hier vor Anker bei Falsterbo, Schweden
MV JULIUS vor Anker bei Falsterbo, Schweden

Wir sind mit unserer Julius nun ein halbes Jahr lang unterwegs. Der erste Törn war die Überführung von Holland nach Hamburg (mit einer spannenden Tour nach Helgoland auf der Nordsee, einhand bei 6 Windstärken), dann von Hamburg nach Damp (einhand), ein Urlaub im Mai und nun der Sommerurlaub.

In diesem halben Jahr haben wir über 1.300 Seemeilen zurückgelegt und können über einige Erfahrungen und Erkenntnisse berichten.

Ein paar Zahlen aus dem ersten halben Jahr

  • Zurückgelegte Strecke: 1.383,6 Seemeilen, das sind 2.562 Kilometer.
  • Betriebsstunden: ca. 240
  • Verbrauchter Brennstoff: 1.748 Liter
  • Durschnittsverbrauch: 1,25 Liter pro Seemeile bei Geschwindigkeiten zwischen 6,5 und 7 Knoten.
  • Ölverbrauch: keiner

Motorboot Erfahrung: Wie sich unser Schiff anfühlt

„Ich hätte auch noch länger auf der Julius bleiben können!“ meinte Steffi am Ende der drei Wochen Sommerurlaub. Für jemanden, der keine natürliche Affinität zur Seefahrt hat ist das ein großes Lob.

Das Zitat trifft auf jeden Fall den Kern der Sache: Die Julius ist sehr wohnlich und extrem komfortabel. Es gibt mehr als genug Platz für vier Personen, der Innenraum ist schön und gemütlich, auf den Betten kann man gut schlafen und Toilette und Dusche sind so gut, dass wir die Sanitäranlagen in Häfen meistens nicht mehr von innen sehen.

Blick in den Salon und inneren SteuerstandDie Naßzelle

Morgens kann das Wasser für den Kaffee mal eben im Wasserkocher heiß gemacht werden, Milch gibts heiß aus der Mikrowelle, gekocht wird auf einem richtigen, vierflammigen Herd, es gibt Strom aus der Steckdose, Warmwasser, ein großer Kühlschrank… das sind viele Kleinigkeiten, über die Puristen nur lächeln mögen, die aber für den langen Aufenthalt auf einem Schiff für die Familie (und auch für mich, wie ich zugeben muss) hilfreich sind.

Die Pantry mit 4-flammigem ElektroherdHerd und MikrowelleDie Dinette - der EssbereichDie Achterkabine

Keine Frage – mit unserem vorherigen Boot, der Xenia, hatten wir auch schon gute Motorboot Erfahrung und einen großen Komfort, viel Platz und sogar noch mehr Stauraum. Die Julius legt da aber noch mal eine Schippe drauf. Und alles andere wäre ja auch merkwürdig in Anbetracht des Geldes, das ich für die Julius investiert habe.

Unterwegs auf offener See

Ohne Seegang fährt es sich auf jedem Boot entspannt. Aber wie geht’s auf der Fahrt über die offenen See, wie kommt die Familie damit klar, fühlt man sich sicher?

Bei Wind 6-7 auf der Nordsee
Bei Wind 6-7 auf der Nordsee

Bisher waren wir ja nur auf der Nord- und Ostsee unterwegs. Meistens bei wenig Wind und sehr ruhiger See, häufiger auch bis zu einem Meter Welle, manchmal auch bei zwei Meter oder mehr.

Interessant ist, dass Steffi meinte, auf der Julius wird sie schneller seekrank als auf der Xenia. Dieser subjektive Eindruck wird durch Fakten eigentlich widerlegt – trotzdem ist der Eindruck da. Vermutlich ist der Grund, dass die Julius die Grenze, bei welchem Seegang wird noch „einfach so“ losfahren, deutlich nach oben verschoben hat: beispielsweise bei Ost 4 in Damp würden wir mit der Julius natürlich noch losfahren, mit der Xenia hätten wir schon lange überlegt, ob wir uns das antun.

Diese Überlegungen stellen wir bei der Julius erst später an, so ab guten 5 Windstärken. So wollten wir einmal mit dem Schiff zu einer Hochzeit nach Kiel, und es wehte ordentlich aus Südost, so mit fünf bis sechs. Welle 1,5 bis zwei Meter. Da haben wir überlegt, es aber letztlich gemacht. Es war keine gemütliche Fahrt, aber für die Familie auszuhalten.

Bei diesem Wind auslaufen? Wäre unbequem, aber kein Problem.
Bei diesem Wind auslaufen? Wäre unbequem, aber kein Problem.

Wichtige Motorboot Erfahrung dabei: Angst, das etwas passieren könnte im Seegang, hat keiner. Die Julius fühlt sich jederzeit absolut sicher an, und so ist ein Törn bei viel Wind unbequem und nervig – aber letztlich kein Problem.

Die Fakten, von denen ich weiter oben schrieb, sind folgende:

  • Der Rundspant-Rumpf beginnt früh zu rollen, dafür sind die Bewegungen langsamer und sanfter als bei einem Knickspant-Rumpf.

    Der Rundspant-Rumpf der JULIUS
    Der Rundspant-Rumpf der JULIUS
  • Rollen wird durch die Stabilisatoren erheblich gedämpft, spürbar ist die Bewegung aber natürlich trotzdem noch.
    Die Stabilisator-Flossen von achtern gesehen
    Die Stabilisator-Flossen von achtern gesehen

    Die Stabilisator-Flossen von vorne
    Die Stabilisator-Flossen von vorne
  • Bei Wellen von vorne stampft das Schiff ganz schön, mehr jedenfalls, als ich erwartet habe. Ab ungefähr 1,5m Welle spritzt Gischt über die Julius, ab zwei Meter Welle auch bis zum Außensteuerstand. Der Wulstbug dämpft die Heftigkeit der Bewegung etwas, d.h. die Bewegung ist relativ langsam, aber halt trotzdem sehr deutlich.

    Eine Bugnase dämpft die Stampfbewegung etwas
    Ein Wulstbug (Bugnase) dämpft die Stampfbewegung etwas
  • Bei achterlichen Wellen (d.h. von hinten) bewegt sich das Schiff bedingt durch das Kanuheck am wenigsten. In der Regel sind die Stabilisatoren dabei sogar kontraproduktiv und können abgeschaltet werden.
  • Die Stabilisatoren machen wir so ab ungefähr 3/4m seitlicher Welle an, vorher lohnt sich das nicht. Irgendwo hatte ich mal geschrieben, dass die Stabis bis zu einem Knoten Geschwindigkeit kosten – das stimmt aber nicht. Es ist deutlich weniger, meistens eher einen halben Knoten.
  • Bei laufenden Stabilisatoren liegt das Schiff nicht wie ein Klotz im Wasser, der Seegang ist schon noch zu spüren. Aber die Bewegungen sind insgesamt gedämpft, das Schiff rollt weniger stark und vor allem schaukelt es sich nicht auf.
  • Das hohe Schanzkleid, das stabile Vorschiff ohne Fenster, die betriebssichere Maschinenanlage und viele Details wie z.B. eine Ankersicherung zeigen: Die Julius ist ein seegängiges Schiff.
    Der Metallbügel vor der Ankerwinsch sichert den Anker
    Der Metallbügel vor der Ankerwinsch sichert den Anker

    Relativ großer Maschinenraum mit etwas Bewegungsfreiheit
    Relativ großer Maschinenraum mit etwas Bewegungsfreiheit

Meine Erwartungen, die ich an dieses Schiff hatte, sind also alle erfüllt: Wir können auch noch bei frischem Wind gut unterwegs sein, und wenn wir müssen, können wir auch bei Starkwind fahren.

Was würde ich mit der Julius nicht machen? Vor der Nordsee bei über sieben Windstärken hätte ich Respekt. Ostsee ab acht Windstärken wäre auch unschön. Ein Sturm in der Biskaya oder auf dem Atlantik möchte ich auch nicht erleben – das Problem stellt sich ja aber auch nicht. Ob das Schiff dabei noch sicher wäre? Vermutlich ja. Ganz sicher bin ich da aber nicht, da fehlt mir die Erfahrung.

Reparaturen und Wartungsarbeiten

Die Technik läuft bisher sehr zuverlässig. Schäden waren meist auf menschliches Versagen meinerseits zurückzuführen. Neben der regelmäßigen Kontrolle von Öl und Kühlwasser bei Antriebsmaschine, Generator, Getriebe und Hydraulik habe ich folgende Arbeiten durchgeführt:

  • Impeller bei Kühlwasserpumpe der Antriebsmaschine getauscht.
  • Stopfbuchse machte etwas Wasser, ich habe sie nachgezogen. Die Packung wird im Winter mal getauscht werden müssen.
  • Ein kleiner Riss in einem Schlauch vom Kühlwasser-Überlauf. Repariert mit Sikaflex und Tape.
  • Filter der Trinkwasser-Aufbereitung gewechselt, da das Alter der bisherigen Filter unklar war.
  • Die Zementbeschichtung im Trinkwassertank bröckelt an einigen Stellen und muss im Winter ausgebessert werden.
  • Die Fäkalientank-Pumpe ist durch versehentliche Überlastung defekt und muss getauscht werden.
  • Alte Webasto Heizung nach Defekt durch neues Modell ersetzt.
  • Warmluftschläuche der Heizung isoliert, so dass die Wärme auch in der Kajüte ankommt.

Insgesamt also auch bezüglich der Technik bisher eine positive Motorboot Erfahrung.

Geplante Umbauten

Ursprünglich hatte ich größere Pläne bezüglich der Navigationselektronik. Unter anderem wollte ich das Radar tauschen und einen Raymarine Plotter innen installieren.

Instrumente am Außensteuerstand: Autopilot, Raymarine-Plotter, Raytheon Radar, Bildschirm für PC-Navigation
Instrumente am Außensteuerstand: Autopilot, Raymarine-Plotter, Raytheon Radar, Bildschirm für PC-Navigation

Mittlerweile habe ich das Raytheon RL70 Radar aber Schätzen gelernt. Es ist ein älteres Gerät, aber nicht so alt, dass es noch ein Röhren-Sichtgerät hätte. Vielmehr ist das LCD basierte Sichtgerät gut und effektiv zu bedienen und hat den großen Vorteil, dass ich das Radarbild immer auf einem eigenen Gerät sehe, unabhängig vom Raymarine Plotter.

Und vor allem: das Raytheon RL70 Radar sieht alles und macht auf mich einen bewährten, zuverlässigen Eindruck. Letztlich genau das, was ich will.

Raytheon CL70 Radar bei viel Verkehr vor Schleimünde
Raytheon RL70 Radar bei viel Verkehr vor Schleimünde: 1=Schleimünde Einfahrt, 2=Boote, die uns entgegenkommen, 3=Ein schneller Entgegenkommer

Ansonsten stelle ich fest, das wir praktisch immer vom Außensteuerstand aus fahren. Dort habe ich alle Navigationselektronik, die ich brauche. Und wenn wir von innen fahren, habe ich die Navigation auf dem Bordcomputer (mit Coastal Explorer) und kann im Radar eine Alarmzone einstellen, deren Piepen wir auch innen hören. Folglich besteht hier momentan kein Anlass für irgendwelche Umbauten.

Und sonst? Was fehlt? Was könnte besser oder schöner sein? 

Tja, da fällt mir ehrlich gesagt nichts ein. Was ganz schön irritierend ist, bin ich es doch gewohnt, jedes Jahr über den Winter diverse größere Projekte am Schiff in Angriff zu nehmen.

Dieses Jahr aber sieht es so aus, als wenn ich nur etwas Kleinkram auf dem Zettel habe. Sowas wie ein Sterling Lichtmaschine-Batterie-Lader, damit die 460Ah Batteriebank vernünftig durch die Lichtmaschine geladen werden kann. Oder noch die Perfektionierung der ohnehin schon guten Maschinenraum-Isolierung.

Ansonsten wird es einfach meine Aufgabe sein, den sehr guten Zustand der Julius zu erhalten. Übermäßig langweilig wird mir also vermutlich nicht.

Motorboot Erfahrung: Zwischenfazit

„Welche Ziele wir in Ost- und Nordsee ansteuern hängt nun nur noch von uns und der zur Verfügung stehenden Zeit ab, nicht mehr vom Schiff.“

Das war der Grund, warum wir uns nach einem neuen Schiff umgesehen haben. Und dieses Ziel ist erfüllt. Wir sind sehr gespannt, wohin uns die MV Julius in den nächsten Jahren so bringen wird!

 

6 Kommentare zu “Motorboot Erfahrung mit der Julius aus über 1.300 Seemeilen

  1. Till Andrzejewski

    Hallo Julian,

    schön zu hören, dass ihr einen tollen Urlaub und viel gute Erfahrung mit der Julius gemacht habt.
    Wir stehen zur Zeit am Anfang unserer Bootsfamilien-Touren. Das Schiff ist überführt, liegt nun in Oldenburg und in den Herbstferien werden wir einen ersten Kurztörn Richtung Weser wagen. Wenn das Schiff dann endlich voll ausgerüstet ist, wollen wir in den kommenden Sommerferien (gutes Wetter vorausgesetzt, sonst fahren wir binnen) entweder Nord- oder Ostfriesische Inseln befahren. Also, Euch eine gute Restsaison und einen schönen Winter. Vielleicht hören wir mal voneinander oder treffen uns mal ganz zufällig.

  2. Julian Buß

    Hallo Till,

    Glückwunsch noch mal zum Schiff und zur erfolgreichen Überführung! Melde Dich mal, wo Ihr nächsten Sommer hinfahrt, wer weiß, vielleicht treffen wir uns 🙂

    Schade, dass es dieses Jahr nicht geklappt hat.

    Lieben Gruß und viel Freude mit dem Schiff!

    Julian

  3. Jens-Peter Bax

    Hallo Julian,

    „Die Fäkalientank-Pumpe ist durch versehentliche Überlastung defekt und muss getauscht werden“

    Das hatte ich schon 2x. Natürlich das Seeventil nicht geöffnet. Das erste Mal wusste ich es nicht besser, das zweite Mal war es pure Dummheit 🙂

    LG Jens

    1. Julian Buß

      Hallo Jens,

      ja, bei mir war es auch das Seeventil – gepaart mit der Tatsache, dass die Pumpe zu hoch abgesichert war (10A bei 24V). Ich habe sie jetzt mit korrekten 5A abgesichert und hoffe, dass die Sicherung durchfliegt wenn mir das noch mal passieren sollte.

  4. Detlef

    Hallo Julian,
    hast Du einen Tipp wie ich mit dem Stahlverdränger in Tidenhäfen ohne Schwimmsteg
    am besten festmache, ohne das sich das Boote bei fallendem Wasserstand aufhängt ?
    Danke & einen guten Rutsch ins neue Jahr
    Detlef

    1. Julian Buß

      Hallo Detlef,

      Da habe ich nur wenig Erfahrung. Ich sehe bei anderen Booten, dass sehr lange Leinen und Bug- und Heck sowie als Spring verwendet werden.

      Ich vermute das Prinzip ist wie folgt: Die Leinen sind so lang, dass sie bei NW halbwegs stramm sind. Während die Tide läuft zieht die Stömung das Boot, so dass die Leinen auch stramm sind und das Boot am Kai gehalten wird.

      Bei Stillwasser bei HW allerdings weiss ich nicht, wie das läuft – dann kann das Boot etwas vom Kai abtreiben.

      Und bei diesem Prinzip muss Platz nach vorne und achtern sein.

      Das habe ich selbst bisher nur einmal erprobt… aber vielleicht gibt die das ja schon mal Denkanstöße.

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