Bis heute hatten wir kein Internet mehr, meine Niederlande-Prepaid-Karte war aufgebraucht. Daher erst heute neue Meldungen.
Gestern wollten wir bis Delfzijl kommen:
Delfzijl liegt direkt an der Emsmündung, von wo wir dann am Montag ganz früh morgens hätten starten können, um mit auflaufendem Wasser bis zur Schleuse Herbrum zu kommen.
Die Tour am Sonntag war aber anstrengend. Uns haben ein paar Brücken und vor allem zwei Schleusen aufgehalten, so dass wir erst um kurz nach vier in Groeningen waren. Da waren wir alle ein wenig mit der Konzentration am Ende und hungrig. Bis Delfzijl wären es noch mal zwei Stunden gewesen, also wären wir erst nach sechs dort angekommen: In Dunkelheit, bei Kälte und vor allem mit Starkwind. Dazu noch Gezeitenströmung im Hafen – all das wäre Garant für einen katastrophalen Anleger gewesen.
Daher der Entschluss: nur bis Groeningen und dort im erstbesten Hafen festmachen. Genau das haben wir auch gemacht, und das forderte noch mal mein ganzes Einfühlungsvermögen. Wie gesagt, Fotos folgen, aber so viel vorab: der Hafen war verdammt eng, und es war verdammt viel Wind, und es gab genau einen einzigen Platz wo wir hinpassten.
Der Anleger hat trotzdem gut geklappt. Und wir lagen zumindest mal in einem regulären Hafen – der allerdings auch noch im Winterschlaf war. Also kein Wasser, kein Strom und eingesperrt, weil die Tür zum Gelände verschlossen war. Wir hätten raus, aber nicht wieder reingekonnt.
Da der Generator ja nun wieder läuft sind wir ja unabhängig. Und von den 1,1 Tonnen Wasser sind noch 3/4 übrig, also alles kein Problem. Nach einem guten Essen (Labskaus) waren dann die Anstrengungen (und Schrecken!) des Tage vergessen.
Schrecken des Tages? Was denn?
Wie gesagt, es war wirklich viel Wind. Für die Nordsee war Sturm angesagt, und auch Binnen hatten wir in Böen über 35 Knoten Wind. Das sind gute 8 Windstärken!
Unterwegs im Kanal ist das natürlich egal, da flattert die Persenning am Außensteuerstand, ansonsten passiert nichts. In einer Schleuse hat es uns allerdings erwischt:
Der Wind stand direkt auf den Eingang der Schleuse, kam also als wir in die Schleusenkammer einfuhren von achtern (hinten). In diesem Fall muss MUSS MUSS man als erstes die Achterleine um einen Poller bekommen. Sonst steht das Boot schnell quer in der Schleuse und man würde es nicht mehr gerade bekommen.
Vor uns war ein anderes Sportboot, was schon mittig in der Schleuse festgemacht hat. Daher war der Platz zum manövrieren für uns etwas eingeschränkt, und wir hatten nur genau eine Chance. Und die hat leider nicht geklappt. Ich habe das Heck nicht so nah an die Schleusenwand bekommen, dass man die Leine zuverlässig über den Poller hätte schmeißen können. Steffi und Leo haben alles versucht, aber es half nichts – das Heck trieb schon ab, und es war nicht mehr möglich, eine Leine an Land zu bringen.
Und vor uns war wie gesagt das andere Sportboot. Ich konnte nicht einfach ein Stück zurücksetzen und einen neuen Anlauf nehmen – denn hinter uns war das Schleusentor schon geschlossen.
Also trieb das Boot langsam, aber durch nichts in der Welt aufzuhalten, quer zur Schleuse (eine Bugleine hatten wir immerhin). Und wenn Wind in Sturmstärke auf einem querliegenden Schiff liegt, das 20 Tonnen wiegt, gibt es schlicht keine Möglichkeit, das Heck in dieser Situation wieder zur Mauer zu bewegen.
Schöner Mist. Und nun?
Erstmal mussten wir uns der Naturgewalt fügen und das Heck rumtreiben lassen. Sprich: wir lagen dann an der Mauer, aber falschrum, mit dem Heck zum Ausgang. Also rückwärts aus der Schleuse raus? Bei dem Wind? Das kann nur schief gehen.
Die Besatzung des anderen Sportbootes kam zu Hilfe, sehr nette Niederländer, und haben den Vorschlag gemacht, das Boot einfach vom Wind noch mal drehen zu lassen. Also mit einer Heckleine am der Mauer fixieren, Bugleine lösen, mit dem Bugstrahlruder einen Schubs geben und den Rest vom Wind erledigen lassen.
Das war exakt die richtige Idee. Also das Heck ordentlich abgefendert, Maschine leicht voraus, Bugleine lösen, Bugstrahler an und schon drehte sich das Boot wieder langsam in der Schleusenkammer.
Der Schleusenmeister war übrigens humorvoll. Über Lautsprecher kam die Ansage „Sie können jetzt ausfahren“, mitten in dieser erneuten Dreh-Aktion 😀
Ergebnis der Aktion: da das Schiff auf einmal mit der Seite an der Mauer lag, die dafür nicht vorbereitet war – sprich wo keine Fender waren, hat die Scheuerleiste auch mal etwas zu tun bekommen. Zum Glück hat das Schiff eine Scheuerleiste.
Aufregende Aktion also. Danach kamen dann noch diverse Brücken, bei denen wir den Geräteträger runterklappen mussten und kurz vor Groeningen noch eine Schleuse, bei der aber alles wieder perfekt lief.
Nun waren wir also in Groeningen und nicht in Delfzijl, und zwar hier:
Wie gesagt, ganz schön eng, der Hafen.
Leider bedeutete das, dass der ganze Zeitplan durcheinander kommt. Am Montag war Delfzijl bis Herbrum eingeplant, was nun wegen der Tide nicht mehr möglich ist. Also hängen wir einen Tag zurück, und sind einen Tag später in Bremerhaven. Und das wiederum bedeutet vermutlich, dass wir in Bremerhaven festhängen werden. Dazu aber mehr in einem eigenen Blog Eintrag.
Nachtrag: hier ein paar Fotos von unterwegs:
Hallo, ich lese hier mit Spannung und ein bißchen Wehmut mit 😉 Das mit achterlichem Wind und Schleuse trieb mir ein Lächeln ins Gesicht. Nicht dass ich schadenfroh bin, aber es erinnerte mich an ein ähnliches Erlebnis mit einer 15 Meter Linssen, nur ohne zweites Boot in der Kammer. Da „stirbst“ Du, da willst Du alles haben bloß keinen Wind mehr. Quer in der Kammer, keine Abdeckung weil Talschleusung und Wind, nur Wind! Und nur zu zweit. HSR entpuppt sich als Sahnequirl und Maschinenkraft zum Voll-zurück ruft bei Kollege Wind einfach nur ein feines, hinterhältiges Grinsen mit Winddruckerhöhung hervor. Ich bin seitdem davon überzeugt, dass da oben einer sitzt und genau in diesen Momenten nochmal eine raushaut. Lösung bei uns? Maschine voll auf zurück, BSR und HSR gegenläufig und Bug in den Wind. Falsch rum angelegt und dann – allerdings weil unten in der Schleuse – BSR und HSR nach dem Ablegen wieder gegenläufig und raus. Kommentar des grinsenden Schleusenwärters: das ist hier normal und deswegen machen so viele hier gerne Dienst.
Weiterhin gute Fahrt und Handbreit!
Gruss
Peter
Danke, ich hatte gehofft, das wir nicht die einzigen sind, denen sowas passiert 🙂
Hallo,ihr Lieben!
Alles wieder o.k. Bei uns,und wir können wieder eure tolle Reise verfolgen,aber
In eurer Haut möchte ich nicht stecken,Wir drücken euch die Daumen für die
Weiterreise.
Danke! Spannend ist die Tour, keine Frage 🙂
Hallo Julian,
das ist ja lustig. Ich habe bereits vor UNSERER Überführung deine
Berichte gelesen. Aber erst jetzt wird mir etwas klar: wir haben in
Groningen an exakt dem selben Platz gelegen, bei Windstärke 5 aus
Nordost und Problemen mit dem Bugstrahlruder. War ganz schön kniffelig.
Aber so geht es uns „BinnenMAX“-Skippern nun mal, dass wir einfach nicht
überall hineinpassen (15m ist ja die magische Grenze im Binnenbreich,
daher finde ich die Bezeichnung BinnenMAX für Boote von 12 bis 15m ganz
passend in Anlehnung an PANAMAX, obwohl das ein wenig von der eigentlichen Bestimmung zum Seeschiff ablenkt…)
Letztendlich haben wir offensichtlich exakt eure Route genommen, sind
bei Leeuwarden auf eure Strecke und in Oldenburg wieder ausgestiegen.
Allerdings hatten wir nach Harlingen die erste Übernachtung in Groningen
und die zweite dann in Dörpen (einen Hafen =ca. 15 Minuten vor eurem)
und waren an Tag 3 dann in Oldenburg an der Schleuse, wo unsere
Überführung endete 🙂
Hallo Till,
witzig, dass Ihr am gleichen Platz gelegen habt. Ich habe die Situation dort noch ganz genau vor Augen! Da rein zu zirkeln ohne Bugstrahler und mit 15m ist nicht ohne, Glückwunsch, dass Ihr es geschafft habt 🙂
Viel Spaß beim basteln am Schiff im Winter, gibt doch bestimmt das eine oder andere zu tun…?
Gruß,
Julian